Laut deutschem Ärzteblatt vom 24. Februar 2017 wird allgemein angenommen, dass Cannabis ein sehr breites therapeutisches Spektrum hat. Als etablierte Indikationen (Anwendungsgebiete) werden u. a. angegeben [1]:
- Appetitlosigkeit
- Chronische – insbesondere neuropathische – Schmerzen
- Spastik (krankhafte Erhöhung der Muskelspannung) bei Multipler Sklerose (MS)
- Mit seinen antispastischen (Muskel entspannenden) und psychotropen Eigenschaften = Veränderungen der Psyche und des Bewusstseins) wird Cannabis als Mittel der zweiten Wahl zur Symptomverbesserung bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Spastik aufgrund einer multiplen Sklerose (MS), die nicht angemessen auf eine andere antispastisch Arzneimitteltherapie angesprochen haben, eingesetzt. Angewendet wird es als Mundspray, der während der Mahlzeiten eingenommen wird und über die Mundschleimhaut resorbiert wird.
- Übelkeit und Erbrechen – Cannabinoide gelten heute als Reservemedikamente bei Zytostatika (Synonym: Chemotherapeutika) induzierter Übelkeit und Erbrechen
Nach den Qualitätskriterien der Evidence Based Medicine (EBM) liegt bislang keine ausreichende Evidenz (nachgewiesene Wirksamkeit) für Cannabinoide vor bei:
- Appetitverlust bei Krebserkrankungen und HIV/Aids
- Ausgeprägte muskuloskeletale Schmerzen
- Chronische Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung)
- Fibromyalgie-Syndrom – weit verbreitetes Syndrom, welches zu chronischen Schmerzen (mindestens 3 Monate) in mehreren Körperregionen führen kann
- Morbus Crohn – chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED); kann den gesamten Gastrointestinaltrakt (Magen-Darm-Trakt; von der Mundhöhle bis zum After) befallen.
- Rheumatoide Arthritis – chronisch entzündliche Multisystemerkrankung, die sich meist in Form einer Synovialitis (Gelenkinnenhautentzündung) manifestiert; befällt überwiegend die Gelenke (Polyarthritis, d. h. Arthritis von ≥ 5 Gelenken), seltener auch andere Organe wie z. B. Augen und Haut.
- Tumorschmerzen
Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) hat eine Praxisleitlinie entwickelt, die Ärzten bei der Verordnung von Cannabinoiden Orientierung bieten soll [2]. Diese Krankheitsbilder umfassen die folgenden Empfehlungsgrade:
- Empfehlungsgrad A: Indikationen chronischer Schmerz, Tumorschmerz, nichttumorbedingter Schmerz, neuropathischer Schmerz, Schlafstörungen bei chronischem Schmerz und spastischer Schmerz bei MS
- Empfehlungsgrad B: Untergewicht, Appetitlosigkeit/Kachexie, Morbus Crohn (Schmerz und Gewicht), Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapie
- Empfehlungsgrad C: viszeraler Schmerz, Tourette-Syndrom, rheumatologisch ausgelöster Schmerz
Legende
- Grad A (Daten aus mehreren, randomisierten klinischen Studien oder Meta-Analysen)
- Grad B (Daten aus einer randomisierten Studie oder mehreren großen nicht randomisierten Studien)
- Grad C (Konsensusmeinungen von Experten oder kleine Studien oder Registerdaten)
Weitere Hinweise
- Bei Erkrankungen der motorischen Endplatte und daraus resultierenden Spastiken kann eine Therapie mit Cannabis möglicherweise helfen. Eine Studie zeigte positive Wirkungen eines THC-CBD-Sprays bei Menschen auf behandlungsresistenter Spastik und Schmerzen wg. amyotropher Lateralsklerose (ALS) oder primärer Lateralsklerose (PLS) [3].
- Eine Metaanalyse sieht keine sichere Evidenz bei psychischen Erkrankungen (Angststörungen, Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS), Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen, Psychosen oder Tourette-Syndrom) [4].
Cannabidiol, das keine psychotrope Wirkung hat, ist in Deutschland als Monopräparat nicht im Handel. In anderen Ländern wird es zur Behandlung von Epilepsien bei Kindern eingesetzt. Cannabidiol ist frei verkäuflich z. B. als Nahrungsergänzungsmittel (Öl) oder in anderen Formulierungen.
In jüngerer Zeit ist Cannabis allerdings zunehmend in den Fokus der Forschung gerückt, da bei vielen Erkrankungen positive Wirkungen nachweisbar sind, z. B. bei Angststörungen, ADHS, Appetitstörungen und als Antiemetikum im Rahmen einer Chemotherapie und bei AIDS, Autoimmunerkrankungen (z. B. Morbus Crohn, Colitis ulcerosa), bipolaren Störungen, endogene Depressionen, Schizophrenie, chronischen Schmerzsyndromen u. a..
Als Rauschmittel finden Cannabisextrakte, die in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu den häufigsten illegalen Drogen gehören, Anwendung als:
- Marihuana (umgangssprachlich auch Gras, Weed, Ganja, in bestimmten Fällen auch Sinsemilla), das aus getrockneten Blüten mit oder ohne anhängenden Blättern bestehen und als Joint (Zigarette), Blunt (Zigarre), mit Pfeife geraucht oder mit einem Vaporizer verdampft werden. THC-Gehalt zwischen 1-14 %.
- Haschisch, das gepresste Harz der Hanfpflanze. Es wird geraucht oder in Fett gelöst in Getränken und Speisen zu sich genommen. THC-Gehalt zwischen 20 und 30 %.
- Haschischöl ist mit Lösungsmitteln aus der Pflanze extrahiertes Öl und wird verdampft und eingeatmet mit Tabak vermischt, auf Papier geträufelt und gelutscht, geraucht oder zur Zubereitung von Getränken und Speisen verwendet. THC-Gehalt bis zu 80 %.
- Skunk ist eine Cannabis-Sorte mit einem THC-Gehalt von ca. 15 %.
Beachte:
- Haschisch hat einen hohen CBD- und relativ niedrigen THC-Gehalt → reduziertes Psychoserisiko bei geringem Konsum
- Skunk hat einen hohen THC-Gehalt bei relativ niedrigem CBD-Gehalt → erhöhtes Psychoserisiko; Auslösung von Panikattacken